Stilrichtungen in der Schmiedekunst
Wenn
es darum geht, dem eigenen Zuhause einen besonderen Glanz zu
verleihen, fragen unsere Kunden uns oft nach dem Rat, in welchem Stil
die geschmiedeten Metallarbeiten gestaltet werden sollen. Die
Schmiedekunst kennt so gut wie keine stilistischen Grenzen, die
Entscheidung über das Muster eines Gitters oder eines Zauns wird nur
im Hinblick auf die Funktionalität und den Geschmack der Besitzer
gefällt. Der Stil der geschmiedeten Objekte hängt nur vom
Gesamtgefüge des betreffenden Domizils ab, deswegen könnte es
hilfreich sein, sich mit den charakteristischen Grundzügen der
künstlerischen Stilrichtungen vertraut zu machen.
Romanik
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Für die Romanik (lat. romanus — römisch), die in ihrem Wesen zutiefst mittelalterlich ist, sind die robuste und massive Gestaltungsweise charakteristisch. „My home is my castle“ bringt es auf den Punkt, wenn es um die Romanik geht. Daher sind auch die Schmiedekunstobjekte von der Verteidigungsfunktion geprägt: Die Tore und die Gitter waren massiv und setzten sich zusammen aus schräg oder vertikal zusammengefügten eckigen Stäben. Die Abstände zwischen den Stäben wurden von symmetrischen Voluten auf der ganzen Oberfläche kunstvoll verziert. Das typische Muster besteht aus Spiralwindungen: Sie entwachsen einer kräftigen Wurzel, die mit einem Bügel festgehalten wird. Der Verlauf und die Verflechtung der Spiralwindungen sind streng symmetrisch und klar. Die großen Voluten sind entweder dicht nebeneinander platziert, oder mit einer Blume, die aus kleineren Voluten besteht, verziert.
Charakteristische Grundzüge
- Massive Gestaltungsweise
- Im Halbkreis geformte Bögen
- Volute als typisches Element
- Das repetitive Muster ist dicht und symmetrisch
Gotik
Die Gotik löste die Romanik ab und war eine vollkommen neue Erscheinung in der Kultur. Die Gotik brachte die scharfen Formen der Abschlussspitzen, das Stichmuster (die Verbindung zweier Stäbe, bei der einer durch den anderen durchragt), die schmalen Abstände zwischen den Stäben, während die Volute aufgrund ihrer Inkohärenz in der neuen Ästhetik fast gänzlich verschwunden sind. Die Stäbe der Zäune schließen normalerweise mit Pfeilen ab.
Als Grundlage der Gotik in der Schmiedekunst dienen kreisförmige Elemente; die gesamte Formgebung als solche ist stark von Geometrie geprägt. Jedoch sind die Ziergitter im Innenbereich oft von raffinierten vergoldeten floralen Ornamenten geprägt. Unter den beliebtesten Motiven finden sich der Dreipass, Lilien, Rosetten, das Akanthusblatt, der Vierpass, die jeweils in durchbrochene geometrische Ornamente eingeflochten werden.
Charakteristische Grundzüge
- Das Streben in die Höhe: schmale Abstände, scharfe Abschlussspitzen, Pfeile
- Spitzbögen
- Der Einsatz von komplexen Profilstäben
- Strenge geometrische Anordnung
- Typische Elemente: scharfe Abschlussspitzen, Pfeile, Dreipass, Vierpass, Rosetten.
Renaissance
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Die Renaissance hauchte der Kunst neue Kräfte und Ideen ein, und die Erfindung des Rundstabs ermöglichte den Schmieden bis dato Ungeahntes. Aus dem Rundstab konnte man prunkvolle Spiralwindungen, Verzweigungen, die mit Blättern und Blüten abschließen, herstellen. Hierzu wurden sie noch im heißen Zustand ohne Vernietung gefertigt. An den Stellen, wo die gebogenen Stäbe sich berührten, wurde das Stichmuster (Verdrahtung) gefertigt, durch die die Stäbe hindurchgeführt wurden. So entstand die typische „Acht“. Das Ergebnis: ein robustes, aber leichtes Gitter.
Als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Gittern wurden die gewöhnlichen Vierkantstäbe genutzt sowie runde und flache, dünne Stäbe (Eisenstreifen). Voluten, Spiralen, Verflechtungen und säbelförmige Blätter wurden zu beliebten Verzierungen. Dabei wurde die Verzierung von Gittern immer komplexer: Sie wurden von nun an mit gestanzten oder gegossenen Büsten, Figuren und Blüten verschönert.
Charakteristische Grundzüge
- Harmonische Klarheit der Komposition
- Adäquate Größenverteilung der einzelnen Elemente
- Die Wiederentdeckung der griechischen Motive
- Typische Elemente: die „Acht“, Spiralen, Voluten, Verflechtungen
- Der Einsatz des Rundstabs
- Die Verwendung von gegossenen Elementen – Cartouchen, Figuren, Büsten, Zirkeln.
Barock
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Den höchsten Wiedererkennungswert besitzt zweifellos der Barock (ital. „schwülstig“, „seltsam“). Sein Alleinstellungsmerkmal ist die Überwindung von Harmonieregeln der Renaissance: Viel bedeutsamer für die Künstler scheint es von nun an, den Betrachter emotional zu berühren. Der Barock zeigt die dekorativen Blätter, Rosetten, komplexe Formen und ausgefallene Muster in ihrer ganzen Pracht. Als Verzierung dienen nach wie vor die Spiralwindungen, die Voluten, diverse Verflechtungsmuster sowie säbelförmige Blätter, die jedoch nun als verzweigtes Dickicht erscheinen. Als wiedererkennbare Attribute des Stils fungieren nun naturalistische Darstellungen von Blüten, Schösslingen, Akanthusblättern, Cartouchen, von zu Schmuckgirlanden gebundenen Palmetten, prachtvollen Windungen, Vasen, Masken und Drachen.
Charakteristische Grundzüge
- Prunkvolle Verzierungsvielfalt
- Unruhiger Rhythmus gewundener Linien
- Raffinierte, durchbrochene Dekoration
- Ausgeprägte Dynamik der Formen
- Detailreichtum
- Typische Elemente: gewundene Linien, Akanthusblatt, Spiralen, komplexe Muster
Rokoko
Das Rokoko, der leichtsinnige Erbe des Barocks, erhebt die Verzierungsvielfalt zur Maxime. Strenge Linien werden aufgelöst, Gitter werden leichter, in der Schmiedekunst kommen dünne Stäbe und Blätter vor ,die den Formen eine elegante Verspieltheit verleihen. Die Muster der Ornamente werden asymmetrisch und kleinteilig; arbiträr verteilte S- und C-förmige Windungen, Blumensträuße, Festons und Girlanden füllen den ganzen Raum. Die filigranen Rocaillemuster sowie die rastlose Dynamik der Schösslinge sowie der prachtvollen Girlanden aus Blättern und Blüten verleihen den Darstellungen die dritte, sehr plastische Dimension.
Charakteristische Grundzüge
- Verzierungsvielfalt
- die Leichtigkeit und die Verspieltheit der Formen
- Raffinierte durchbrochene Muster
- Asymmetrie und Kleinteiligkeit der Ornamente
- die Überwindung der Zweidimensionalität der Gitter
Klassizismus
Der
Klassizismus (lat. classicus – vorbildhaft) löst den Barock in der
Mitte des 18. Jahrhunderts ab, und obwohl er dem Verzierungsimpuls
des Barock noch folgt, ist er in seinem Wesen eine völlig neue
Erscheinung. Die lakonische Strenge der Ausdrucksmittel schöpft er
aus den antiken Vorbildern, und in den geschmiedeten Gittern findet
sich nun der gemäßigte Rhythmus der klaren Trennlinien. Als
Verzierung werden nun wieder Pfeile als Abschluss der Stäbe
eingesetzt sowie die klar trennenden Konturen und die harmonische
holistische Einheit im architektonischen Gesamtkonzept.
Charakteristische Grundzüge
- die Einfachheit und die Ästhetik der Zurückhaltung
- ausbalancierte Komposition
- sich wiederholende symmetrische Muster
- typische Muster: Mäander, Reben, diverse Blütenarten, weich gewundene Blätter, Speere, Reliefs, Rosetten
- Betonung der plastischen Formen
- in der Regel sehr strenge Architektonik der Umzäunungen und der Gitter
Empire
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Die Schmiedekunst der Zeit des Empire-Stils zeichnet sich vor allen Dingen durch die Verwendung von geraden, glatten Stäben und der Dominanz der geometrischen Elemente in den Ornamenten. Die beliebtesten Motive der Schmiedekunst des Empire sind weiche, gerade oder kreisförmige Linien, Mäander in der Verbindung mit dem Akanthusblatt und mit floralen Mustern. Voluten nehmen eher elliptische, gestreckte Form an; oft finden sich die Darstellungen zweier Voluten, die sich parallel zu einander erstecken und an den Enden zusammengeschweißt sind und zu einer einfachen Schnecke verarbeitet sind. In der Mitte einer Windung kann schon mal ein Blütenfeston zu bewundern sein, das sich aus Akanthusblättern zusammensetzt. Dieselben Motive wiederholen sich entlang der Hauptstränge eines jeden Empire-Schmiedekunstwerks; besonders oft ist die abwechselnde Reihenfolge von floralen Elementen mit Mäandern und anderen geometrischen Mustern zu sehen.
Charakteristische Grundzüge
- die Strenge und die Einfachheit in der Kombination mit Raffinesse
- typische Elemente: speerförmige Abschlüsse der Stäbe, allegorische Darstellungen und römische Ornamente, Lorbeerkränze, Maskarone
- die Verbindung von Mäandern mit floralen Motiven
- die länglich gestreckte Volute
Jugendstil (auch Art Nouveau/Sezession)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts weichen die strengen und lakonischen Verzierungen in der Schmiedekunst und darüber hinaus zugunsten von immer komplexeren und ausgefalleneren Mustern. Das ist die Geburtsstunde des Jugendstils, der sich durch bildhafte, kantenlose Linien mit einer klaren Neigung zur Asymmetrie auszeichnet. In der Malerei dominieren natürliche florale Motive, insbesondere exotische Blüten wie die Iris oder die Orchidee. Daher ist in Europa als Alleinstellungsmerkmal der „Peitschenhieb“ in den Linien bekannt – der schleifenförmig gewundene Alpenveilchenstiel.
Charakteristische Grundzüge
- naturalistische florale Formen
- die Ausdrucksstärke der Umrisse und der kapriziös gewundenen Linien
- das Konzept des fließenden Raums
- ausgeprägte Verzierungsvielfalt
- bildhafte Formen, Verzicht auf gerade Linien
- exotische Motive in der Kombination mit ausgefallenen floralen Mustern
Art Déco
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Art Déco ist die „geometrisch“ geprägte Variante von Jugendstil und gewisserweise die Gegenbewegung zu der floralen Richtung. Art Déco zeichnet sich aus durch abgerundete Ecken, streng vertikale Linien und liniengeprägte geometrische Verzierungen aus Zickzacklinien, Kreisen, Dreiecken und Sonnenmotiven. Oft findet sich auch die Kombination aus orientalischen und altägyptischen Motiven, der griechischen Antike oder aus den Darstellungen von Flora und Fauna mit abstrakten Figuren, die sich auf die Ausdruckskraft von gebrochenen Linien stützen. Dieser Stil genoss einen großen Zuspruch, insbesondere in den USA, und wurde regelrecht zum Symbol des neuen Luxus. Bis heute gilt er als der Stil der Prominenz.
Charakteristische Grundzüge
- Futurismus und Eklektizismus
- Die Einfachheit und die geometrische Ausprägung der Formen
- Typische Elemente: ausdrucksstarke Linien, Zickzack-, Kreis- und Dreieckverzierungen
- Ästhetik der Funktionalität und der streng utilitaristisch angehauchten Formen
- Die Verbindung von verschiedenen Technologien der Metallverarbeitung sowie von verschiedenen Materialien